Gedanken zum Berufswechsel

An Entscheidungen für unterschiedliche Berufe werden sehr unterschiedliche Kontinuitätserwartungen herangetragen. Als ich angefangen habe, Informatik zu studieren, hat niemand, aber auch wirklich niemand zu mir gesagt: „Aha, so Computerkram. Spannend. Aber denkst Du denn, dass Du das bis zur Rente machen wirst?“ Was vermutlich angebracht gewesen wäre, denn es heißt ja immer, viele Menschen in meiner Altersgruppe werden nicht ihr ganzes Erwerbsleben bei einer Sache bleiben.

Als öffentlich sprechende Sexarbeiterin bin ich unzählige Male gefragt worden, ob ich denn vorhabe, das bis zur Rente zu machen. Weiterlesen

Ich mach‘ dann mal was Anderes.

Ja, ich weiß, es ist schwer zu glauben (und vielleicht noch schwerer zu verkraften ;-) ): ab November 2016 widme ich mich nach Jahren der IT-Abstinenz wieder einer Tätigkeit in meinem studierten Berufsfeld.

Huch? Ich dachte Du magst Deinen Beruf.

Ja, sicher. Ich habe gelegentlich die Sexarbeit als Lebensabschnittsberufung bezeichnet und das war sie auch: der Ort, wo ich unter den Kolleginnen so viele weibliche Vorbilder auf einem Haufen gefunden habe wie vorher noch nirgendwo im Leben. Der Ort, an dem ich mich an Berührung und Lust und Wertschätzung für’s Körperlichsein und Sinnlichsein satt gegessen habe wie noch nie zuvor. Ein Labor zum Ausprobieren, Grenzen austesten, Spielräume erweitern im Sexuellen aber oft auch einfach im allgemein Menschlichen. Eine lange Reihe spannender, berührender, lehrreicher, einfacher, fordernder, alltäglicher und überraschender Begegnungen. Ein Beruf, den ich gerne ausgeübt habe. Weiterlesen

Sexarbeiter_innen als Vorbilder

Christian Schäfer hat mir in der Huffington Post nach meiner Teilnahme bei „Günther Jauch“ einen Brief geschrieben, der mich dazu bewegt hat, ein paar persönliche Gedanken zum Ansehen von Sexarbeiter_innen in öffentliche Worte zu gießen. Hier ist meine Antwort.


Danke, Herr Schäfer!

Ich habe vor einigen Tagen Ihren Beitrag in der Huffington Post gelesen. Der hat mich ganz überraschend berührt.

Wissen Sie, ich lebe ja in meiner eigenen kleinen, großteils sex-positiven und ansonsten zutiefst toleranten Privatwelt. Die meiste Zeit spüre ich vom Hurenstigma nicht viel. In meinem privaten Umfeld spielt mein Beruf meist keine größere Rolle als die Berufe der anderen. Mit Kolleg_innen tausche ich Unterstützung und Anerkennung. Von Kund_innen ernte ich vor allem Dankbarkeit.

Allenfalls in Momenten der Abwägung wurde und wird mir der schlechte gesellschaftliche Stand meines Berufes bewusst. Weiterlesen